Ulrike Herrmann (🥵🥶) ist diese intelligente, scharfsinnige, ältere, extrem selbstbewusste Dame aus dem Fernsehen, die besonders dafür bekannt ist, Liberalen und Konservativen auf den Leim zu gehen, indem sie v.a. deren Wirtschaftsfantasien argumentativ auseinandernimmt und in keynesianischer Manier auf makroökonomische Zusammenhänge aufmerksam macht, bei denen ihre Gesprächspartner meist nicht mithalten können.
Sie erklärt im Ende des Kapitalismus (und in all ihren anderen Büchern), wie der Kapitalismus entstand und funktioniert, wie man ihn steuern und z.B. fairer gestalten kann. Er sei ein Segen gewesen, da dadurch Wachstum entstand, das die Möglichkeit schuf, dass jeder (vereinfacht gesagt) "mehr haben kann". Trotz des Lobs am Kapitalismus und dem Wachstum ist jetzt zu unser aller Bedauern Schluss damit, denn auf der endlichen Erde kann es ein kein unendliches Wachstum geben.
Es wird Geld investiert, um Waren herzustellen, um diese für mehr Geld zu verkaufen (G - W - G')
So lautet ungefähr Marx' Definition von der "kapitalistischen Produktionsweise" und Herrmann stimmt dem zu. Für sie ist allerdings von elementarer Bedeutung: Investiert wird in Maschinen, die mit Energie betrieben werden. Ohne Energie sind die Maschinen wertlos. Dreht man den Energie-Hahn ab, werden Maschinen zu "totem Kapital". Was nützt ein Auto ohne Sprit oder eine Server-Farm für eine ausgeklügelte KI, wenn diese nicht mit Strom versorgt wird? Gar nichts. Man braucht Energie und diese sollte auch möglichst billig sein. Denn Investitionen lohnen sich nur dann, wenn die Kosten der Maschinen billiger sind als die Löhne der Arbeiter. Sonst würde sich niemand diese Maschinen zulegen. Von zentraler Bedeutung waren die Energiepreise für die Geburt des Kapitalismus: hohe Löhne und billige Energie sind, wenn man so will, kapitalismusbefeuernde Bedingungen und genau das war damals in England der Fall. Fabrikanten investierten in Maschinen, um die hohen Löhne quasi mit billigeren Maschinen zu ersetzen. Wäre die Energie allerdings teurer gewesen oder die Löhne niedriger, wäre der Kapitalismus wohl nie entstanden. Energie ist in diesem Zusammenhang eine besondere Ressource, denn sie ist in jedem Produktionsprozess Kostentreiber. Wird sie teurer, wirkt sich das auf die gesamte Volkswirtschaft aus. Was also, wenn die Zeiten des Energieüberfluss vorbei sind?
Die Energie wird nicht reichen
Deutschland und der Rest der Welt haben sich, mehr oder weniger, dazu verpflichtet, mittelfristig CO2 - neutral zu werden, also fossile Energiegewinnung zu beenden.
Übrig bleiben dann nur doch die grünen Energieformen und wenige andere wie die Atomkraft. Die Grüne Energie(Wind-, Solar- und Wasserkraft) emittiert keine Treibhausgase. Andere, nicht fossile Energieformen wie Atomkraft rentieren sich wahrscheinlich heute und morgen nicht, wie man an fehlenden Investitionen und steigenden Kosten sehen kann. Hinzu kommt die Knappheit des Uran: Ein höherer Anteil von Atomenergie am globalem Strommix würde bei den aktuellen Reaktortechnologien für kein Jahrhundert reichen. Spätestens wenn die wütende Klimakrise spürbare Effekte auf die reicheren Länder zeigt, wird sich die Staatengemeinschaft gezwungen sehen, ihre geschriebenen Gesetze auch einzuhalten und fossile Energieträger komplett streichen.
Herrmann führt aus, dass ein echter Switch auf exklusive grüne Energien nicht den Energiebedarf der Welt, v.a. der entwickelten Industrieländern, decken kann. Die relevanten Technologien, Windkrafträder und Solarpanele, stellen bei Weitem nicht genug Energie bereit und schwanken dabei auch noch. Selbst bei einer riesigen Investitionsoffensive könnten nicht genügend grüne Energiekraftwerke erbaut werden, um den immensen Energiebedarf zu bedienen. Dazu kommt, dass der Kapitalismus implizit ein Wirtschaftswachstum und damit einhergehend einen erhöhten Energiebedarf voraussetzt. Das benötigt er, um stabil zu bleiben und nicht dauerhaft in Wirtschaftskrisen zu verkümmern. Diesen Bedarf plus Wachstum werden wir(die globale Wirtschaft) also sicherlich nicht produzieren können. Das heißt, wir müssen nicht, sondern können nur schrumpfen. Wie die Bundesregierung über die Schuldenbremse, muss sich die globale Welt darauf einigen, zu schrumpfen und zu sparen. Spardiktate, sei es über gesetzliche Schuldenregeln oder reiner Wirtschaftsideologie, haben schon immer für Unruhen gesorgt. Schließlich entzieht man der jeweiligen Volkswirtschaft damit die Wirtschaftsleistung und das will niemand freiwillig, wenn man es wirklich verstanden hat(außer Christian Lindner).

Schrumpfen hört sich entspannt an: Weniger konsumieren. Nicht schön, aber entbehrlich. Ja, Sparen ist eine Tugend! Lege etwas beiseite, sei etwas stoisch und übe Konsumkritik! Volkswirtschaftlich gesehen spielt man ein anderes Spiel: Die Einsparungen der Einen sind fehlendes Einkommen für die Anderen. Nicht weiter wild, oder? Was aber folgt nach gesamtwirtschaftlichen Sparen ist eine geringere Wirtschaftsleistung und das heißt ggf. Arbeitslosigkeit, sinkende Einkommen und, wie man es an Deutschland sehen kann, politische Auswirkungen. In den Dimensionen, die Herrman einbringt, sprechen wir nicht aber von Einsparungen von winzigen 1-2%, was schon heavy ist, sondern von einer Halbierung der Wirtschaftsleistung. Energetisch nicht transformierbare oder sehr ineffiziente Branchen(wie der Individualverkehr, der Flugverkehr oder die Stahlindustrie) müssten nahezu vollständig eingespart werden, um die CO2-Neutralität zu erreichen. Die dadurch fehlende Nachfrage würde eine Krise auslösen, die Ihresgleichen sucht(nice formuliert damn). Deswegen muss man sich im Klaren sein, dass diese Transformation eine nie zuvor dagewesene Situation ist und sich dafür vorbereiten.
Es kommt allerdings noch schlimmer: Wenn es keine Aussicht auf Wachstum geben kann, wird (per Definition) nicht investiert, sich nicht verschuldet. Aktienwerte werden wertlos, da man keine Gewinne mehr erwarten kann. Das Gesamteinkommen wird kontinuierlich kleiner. "Reicher" kann man nur noch über die reine Verteilungsfrage werden, wie es im prä-kapitalistischen Feudalismus war. Man streitet sich über die Anteile eines immer kleiner werdenden Kuchen.
Preisdialektik
In Zeiten von rapidem Schrumpfen UND der Klimakrise werden die meisten Güter knapp. Preise werden dann spürbarer sein. Die teuren Güter werden sich nur diejenigen mit ausreichenden finanziellen Mitteln leisten können und darauf werden viele keine Lust haben. Die Allgemeinheit ist meist fein damit, wenn sich ein Richie ein Lamborghini kauft, aber was, wenn der Richie dir literally das Wasser und Essen wegkauft? Dann ist Schluss mit Preisen. Die so sehr gelobten Märkte und damit verbundene Preise, die die Knappheit der Güter zeigen sollten, möchte man dann noch nicht mehr zahlen. Stattdessen will man dann das Wasser dann doch eher gleichmäßig aufteilen. Das wird sehr problematisch.
K(ein) Ausweg
Herrmann sieht keinen Ausweg im weiteren Verharren im Kapitalismus. Könnte nicht eine Wundertechnik erfunden werden, die uns unendliche Energie ohne CO2 - Ausstoß beschert?

Da wären die Kernreaktoren der 4ten Generation oder, ganz fancy, die Kernfusion. Problem ist nur, dass diese Technologien noch weit davon entfernt sind, sich zu etablieren. Viel zu wenig wird investiert. Das nicht ohne Grund, denn es ist keine profitable Angelegenheit. Zudem brauchen neue Technologien Jahrzehnte, ja sogar Jahrhunderte, bis sie den Markt durchdringen. Man denke an die Erfindung des Computer während des Zweiten Weltkriegs und wie lange es gedauert hat, bis sie in der gesamten Gesellschaft ankamen. Unsere Uhr tickt aber bis 2045. Nach Herrmann müssten wir schon jetzt das Wachstum beenden: Alles, was wir jetzt an Wachstum erzeugen, würden wir in geballter Klimakatastrophe zurückbekommen. Hoffen auf eine neue Technologie, die uns alle rettet, ist eher Leugnung und Aufschieben des Problems.
Obwohl Herrmann oft mit Linken Wirtschaftsideologien in Verbindung gebracht wird, lobt sie den Kapitalismus ganz explizit und lehnt jeglichen Sozialismus ab. Sie sieht den Ausweg in einer Kriegswirtschaft: Staatlich geregelt wird, wer wie viel produzieren darf und wie das Einkommen verteilt wird. Die Unternehmen bleiben trotzdem in privater Hand. Das soll der Übergang werden in eine vorerst wachstumsfreie Kreislaufwirtschaft. Wenn man diese erreicht, kann es wieder rosig werden. Es kann durchaus sein, dass die Energie wieder billiger wird, wenn an Atomtechnologie weiter geforscht wird. Und die Kriegswirtschaft mit geringer Wirtschaftsleistung ist auszuhalten: Die Briten mochten die Kriegswirtschaft wegen der wahrgenommen Fairness. Schrumpfen müssten die Deutschen auf ein pro-Kopf-Einkommen nahe 1978. Da ging es den Menschen auch gut und sie konnten glücklich sein.
So oder so würde der Kapitalismus enden. Kontrolliert man den Übergang nicht, könnte es aber politisch deutlich unschöner ausgehen als es mit Herrmanns Kriegswirtschaft möglich wäre.
Fazit
Dass es problematisch ist, wenn weiter Treibhausgase emittiert werden, muss nicht erklärt werden (Wenn du denkst, es sei nicht nötig, empfehle ich IPCC). Es ist unvorstellbar, dass Länder, die den Kapitalismus tatsächlich verstanden und erfolgreich implementiert haben, sich freiwillig von diesem trennen, da er das einzige Versprechen für flächendeckenden Wohlstand war. Die Alternative eines "Weiter-so" ist allerdings genau so düster. Ihr Buch ist für jeden halbwegs politisch und wirtschaftlich Interessierten Pflichtlektüre. Einem Laien(wie mir) fallen wenig Gegenargumente, außer "die Technik wird es schon richten". Ein Gamble also.
Man sollte sich vielleicht überlegen, sein Erspartes noch heute auszugeben, da man in einigen Jahren viele der heutigen verfügbaren Möglichkeiten nicht mehr nutzen kann.